Von Fabiola Ortiz
NEW YORK (IDN) – Bei der Terrorismusbekämpfung und der Beilegung von Konflikten kommt Frauen nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen und renommierter Friedensforscher eine entscheidende Rolle zu. Dennoch sind sie bisher bei Friedensgesprächen unterrepräsentiert.
Laut dem ‘2015 Global Peace Index’ des ‘Institute for Economics and Peace’ kosten Konflikte und Gewalt weltweit etwa 14,3 Billionen US-Dollar. Diese Summe entspricht 13,4 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts oder der zusammengerechneten Wirtschaftsleistung von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada und Spanien.
“Die Welt ist heute weniger friedlich als sie es 2008 war”, geht aus der Studie hervor. Die Verschlechterung der Lage sei vor allem daran ersichtlich, dass die Zahlen der Flüchtlinge, der Binnenvertriebenen und der Bürgerkriegstoten gestiegen sei. Zudem fordere der Terrorismus immer mehr Opfer. Allein im Jahr 2014 wurden schätzungsweise 20.000 Menschen bei terroristischen Angriffen getötet, etwa zehn Mal so viele wie zehn Jahre zuvor.
Laut einer weltweit durchgeführten UN-Untersuchung, die zum 15. Jahrestag der Sicherheitsratsresolution 1325 am 13. Oktober veröffentlicht wurde, würde eine stärkere Einbindung von Frauen in die Friedensarbeit bedeutende Fortschritte mit sich bringen. In der Resolution über Frauen, Frieden und Sicherheit werden erstmals die Konflikterfahrungen von Frauen mit der Förderung von Frieden und Sicherheit in der Welt in Verbindung gebracht.
Frauen können Friedensprozess vorantreiben
Laut der sri-lankischen Juristin Radhika Coomaraswamy, Hauptautorin eines von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon beauftragten Prüfberichts über die Resolution 1325, erweist die Studie “zweifelsfrei”, dass die Beteiligung von Frauen Friedensprozessen zu mehr Erfolg verhelfen würde. Wenn Frauen mit am Verhandlungstisch sitzen, erhöhen sich den Untersuchungen zufolge die Aussichten auf einen Friedensschluss in den folgenden 15 Jahren um 35 Prozent.
“Wir sind uns bewusst, dass sich die Welt seit dem Jahr 2000 stark verändert hat. Wir müssen die Agenda der Sicherheitsratsresolution 1325 durch pro-aktivere Dialoge wiederbeleben und vorwärts bewegen”, erklärt sie. Dies sei sowohl von der UN als auch den Mitgliedstaaten stark vernachlässigt worden.
Coomaraswamy forderte, Terrorprävention, Frühwarnsysteme und UN-Missionen in Konfliktregionen sowie die Notwendigkeit eines Dialogs in den Vordergrund zu stellen. “Die Militärausgaben sind hoch, und der Eskalationskreislauf muss enden”, fordert sie. Gewalt dürfe nur als letztes Mittel angewendet werden, wenn ein Dialog nicht mehr möglich sei.
“Es ist offensichtlich, dass die derzeitigen Modelle für Friedensstiftung nicht funktionieren”, sagte die Exekutivdirektorin von ‘UN Women’, Phumzile Mlambo-Ngcuka.
Zwischen 1990 und 2000 beschäftigten sich lediglich elf Prozent der abgeschlossenen Friedensabkommen mit der besonderen Situation von Frauen in Post-Konflikt-Situationen. Als der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1325 verabschiedete, stieg der Anteil auf 27 Prozent. Sechs Übereinkommen wurden im Jahr 2014 von den UN unterstützt. Sie enthielten kaum Passagen, die sich auf Frauen bezogen.
An den 31 wichtigsten Friedensverhandlungen zwischen 1992 und 2011 waren lediglich neun Frauen beteiligt. Nur drei Prozent der Soldaten bei UN-Missionen sind weiblich, und die meisten werden nur als Unterstützungkräfte beschäftigt. “Das ist inakzeptabel”, kritisierte Mlambo-Ngcuka.
Frauenfragen nach wie vor unten auf der Tagesordnung
Mlambo-Ngcuka und Coomaraswamy sind sich darüber einig, dass eine größere Beteiligung von Frauen nicht nur die Friedensarbeit voranbringt, sondern auch das Wirtschaftswachstum beschleunigt und die humanitäre Hilfeleistung verbessert. “In den vergangenen 15 Jahren sind die Fortschritte zu langsam verlaufen”, sagte die Exekutivdirektorin von ‘UN Women’, die einen 50-prozentigen Anteil von Frauen bei Friedensgesprächen fordert.
“Frauen stehen noch immer ganz am Ende der Agenda”, beanstandet Muna Rihani Al-Nasser, Vorsitzende der 2008 gegründeten ‘UN Women for Peace Association’. Ziel der Vereinigung ist die Verhütung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie eine strengere Anwendung von Gesetzen gegen Gewalt.
“Wir müssen die Regierungen dazu bringen, Frauenfragen ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen. Frauen müssen an Diskussionen über den Friedensprozess involviert werden. Schließlich machen wir 55 Prozent der Weltbevölkerung aus”, sagte Al-Nasser gegenüber IDN. “Stehen ihnen die Türen erst einmal offen, werden sie sich engagieren. Sie müssen angemessen ausgebildet und gleichwertig wie Männer behandelt werden.”
Die Aktivistin betonte, dass Frauen und Kinder in Bürgerkriegen häufig am wenigsten vor Terrorangriffen geschützt seien und am meisten zu leiden hätten. Etwa die Hälfte der Kinder im Grundschulalter, die keinen Unterricht besuchen, leben in Konfliktzonen. Betroffen sind vor allem Mädchen, von denen in Gebieten, in denen ein Bürgerkrieg noch im Gange oder kürzlich beendet worden ist, nur 77,5 Prozent an Grundschulen angemeldet sind. In solchen Gebieten ist außerdem die Müttersterblichkeit statistisch betrachtet ungefähr 2,5 Mal höher.
Al-Nasser wies zudem darauf hin, dass die islamistische IS-Miliz etwa 3.000 jesidische Frauen und Kinder gefangen genommen habe, seit die Extremisten Anfang August 2014 das Sinjar-Gebirge im Nordirak besetzt haben. Die Jesiden sind in der Mehrheit Kurden, die in den irakischen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniyah leben und von den IS-Kämpfern als ‘Ungläubige’ brutal verfolgt werden. Während viele jesidische Männer von den Islamisten getötet wurden, werden Frauen und Mädchen entführt und als Sex-Sklavinnen missbraucht. (Ende/IPS/ck/09.11.2015)
Bild: http://www.indepthnews.info/images/women_peace_bangladesh.jpg
Weibliche Polizeistaffel aus Bangladesh hilft als Verstärkung der UN-Stabilisierungsmission in Haiti beim Wiederaufbau nach dem Erdbeben – Bild: UN Photo/Marco Dormino