Verendete Kuh im dürregeplagten Nordosten Brasiliens - Bild: IPS - Photo: 2015

Brasilien: Wasserversorgung im Nordosten droht wegen Dürre zusammenzubrechen

Von Nadia Pontes

SAO JOSÉ DOS CAMPOS/BRASILIEN (IDN) – Die Dorfschule in der Landgemeinde Pacheco im Nordosten Brasiliens ist in diesen Tagen ein viel besuchter Ort. Denn nirgendwo anders fließt in der dürregeplagten Gegend noch Wasser aus einer Leitung. Der Nachschub, der rasch zur Neige geht, muss aus etwa 40 Kilometern Entfernung geholt werden.

“Wir haben keine Alternative. Natürliche Süßwasserquellen gibt es hier nicht mehr. Alles ist ausgetrocknet. Wir sind in einer sehr schwierigen Lage”, erklärt die Lehrerin Josilânia de Fátima dos Santos, die auch der Gemeinde vorsteht.

Die Bewohner des Dorfes kommen täglich zu der Schule, um jeweils drei bis vier große Eimer mit Wasser zu füllen. Die Verteilung geht reibungslos vonstatten, da jeder diszipliniert nur die Menge Wasser mitnimmt, die seine Familie unbedingt zum Trinken, Kochen oder für die Hygiene benötigt. “Gern würden wir mehr frisches Wasser trinken. Wir sind verzweifelt und beten für Regen”, sagt dos Santos. “Wir merken, dass sich das Klima verändert hat, wissen aber nicht, wie wir dieses Problem lösen können.”

Tausende Menschen ohne ausreichend Wasser

Nicht nur in Pacheco sitzen die Menschen auf dem Trockenen. Insgesamt etwa 18.000 Einwohner der Gemeinde Pesqueira im Bundesstaat Pernambuco haben keinen Zugang zu fließendem Wasser. Der Nordosten Brasiliens erlebt zurzeit die schlimmste Dürre seit einem halben Jahrhundert, die Wissenschaftler mit dem Wetterphänomen ‘El Niño’ und längerfristigen Klimaveränderungen in Verbindung bringen.

In dem semi-ariden Gebiet hat es auch früher schon Trockenperioden gegeben. Die Menschen kennen das Problem des Hungers und mussten oft umziehen, um in der Nähe von Quellen zu sein. Bei Missernten sind sie gezwungen, ihren gesamten Besitz zu verkaufen, um neue Saaten zu kaufen. Dann bleibt ihnen nichts anderes übrig, als auf Regen zu hoffen.

Jonas Brito, der Leiter der kommunalen Umweltbehörde, erinnert sich, dass die Behörden bereits seit dem Jahr 2010 Wasser mit Lastwagen in ländliche Gebiete befördern müssen. In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Lage jedoch deutlich verschärft. “Momentan stehen wir am Rand des Zusammenbruchs”, bekennt Brito.

Etwa 70 Laster sind mehr als 80 Kilometer auf staubigen Straßen unterwegs zu ländlichen Gemeinden, um den ärmsten Bewohnern das lebensnotwendige Wasser zu liefern. Wohlhabende Grundbesitzer zahlen selbst für eine private Versorgung.

Felder können nicht mehr bewässert werden

Laut offiziellen Daten werden täglich rund 20 bis 50 Liter Wasser pro Kopf ausgeliefert. Für die Bewässerung der Felder, von deren Erträgen die Menschen in der Region leben, reicht diese Menge aber nicht aus. Mais-, Bohnen und Maniokpflanzungen sind vernichtet worden. Die Milchproduktion ist von 150.000 Litern am Tag auf 35.000 Liter gesunken, da viele Kühe verdurstet sind.

Der Pegel des Stausees, aus dem der Wassernachschub gedeckt wird, habe derzeit nur die Hälfte seines normalen Standes erreicht, sagt Brito. “Im nächsten Monat wird der See vielleicht leer sein. In dem Fall müssen die Lastwagen noch weiter fahren, und die Kosten werden steigen.”

Seit dem 16. Jahrhundert hat es aufgrund unregelmäßiger Regenfälle im Nordosten Brasiliens immer wieder katastrophale Dürren gegeben. Früher kam dies etwa ein Mal in zehn Jahren vor. Die Stadt Pesqueira, die mehr als 200 Kilometer von der Hauptstadt Pernambucos, Recife, entfernt liegt, hat bisher keinen Plan, um den Verlust von produktivem Land auszugleichen. Das Gebiet gehört zu den wasserärmsten Zonen des gesamten Nordostens. Pro Einwohner stehen hier nur etwa 40 Liter Wasser täglich zur Verfügung.

Die Dürre macht auch den Bewohnern der Städte zu schaffen, denn der Wasserstand eines anderen Stausees, aus dem urbane Gebiete versorgt werden, beträgt nur noch zehn Prozent. Im vergangenen Jahr hatte die föderale Regierung Brasiliens ein Internetprogramm eingeführt, mit dem die Trockenheit im Nordosten gemessen werden konnte. Auf der Karte ist über der Stadt Pesqueira ein dunkelroter Fleck zu sehen, der für alarmierenden Wassermangel steht.

Risiken seit etlichen Jahren bekannt

Auch Teile der Bundesstaaten Piauí, Ceará, Rio Grande do Norte und Paraiba leiden unter einer extremen Dürre. Auf die Notlage in Pesqueira waren Wissenschaftler bereits im Jahr 2007 aufmerksam geworden, als José Marengo und Guillermon Obregón vom Nationalen Institut für Weltraumforschung (INPE) das Klima Brasiliens im 20. Jahrhundert untersuchten. Bei Messungen in 22 Gemeinden in fünf brasilianischen Regionen kam heraus, dass die Temperaturen in Pesqueira am stärksten gestiegen waren. Im Zeitraum von 1981 bis 2000 betrug die Differenz im Durchschnitt 0,6 Grad Celsius.

Der erste Bericht des Brasilianischen Ausschusses zum Klimawandel (PBMC), der im Januar dieses Jahres erschien, führt die Veränderungen auf den Klimawandel zurück. “Im Nordosten sind die Auswirkungen des Klimawandels offensichtlicher als in anderen Regionen”, sagte Marengo, der auch Berichte für den Weltklimarat verfasst hat.

De Dürren werden zudem mit dem Phänomen ‘El Niño’ in Verbindung gebracht, das durch die periodische Erwärmung der Oberflächentemperatur des Wassers im Pazifik verursacht wird. Wenn die Temperaturen weltweit ansteigen, könnte ‘El Niño’ häufiger und intensiver als bisher auftreten, warnte Marengo. Prognosen zufolge könnten die Oberflächentemperaturen im Osten und Zentrum des Pazifiks bis Ende dieses Jahres um zwei Grad über den Durchschnittswert klettern. Damit würde ‘El Niño’ im Zeitraum 2015/2016 zu den vier gravierendsten Wetterphänomenen dieser Art seit 1950 zählen. (Ende/IPS/ck/01.12.2015)

Bild:

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Verendete Kuh im dürregeplagten Nordosten Brasiliens – Bild: IPS

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