Von Kalinga Seneviratne*
BANGKOK (IDN) – Anti-Stress-Seminare für Eltern, Bewusstseinstrainings für Manager oder Kurse für “achtsames Führen”. In den USA werden in den vergangenen Jahren immer mehr Kurse und Workshops angeboten, die sich den Grundlagen der sogenannten Achtsamkeit verschrieben haben. Auch in Europa versuchen gestresste Arbeitnehmer zunehmend, ihren Alltag mit Hilfe von Achtsamkeitstrainings zu bewältigen.
Das Konzept kommt ursprünglich aus dem Buddhismus. Dabei geht es darum, sich in einen besonderen Wahrnehmungs- und Bewusstseinszustand zu versetzen und eigenes sowie fremdes Leiden zu vermindern. In westlichen Ländern werden die Techniken häufig genutzt, um individuelles Stressempfinden zu verringern und um den Führungsstil von Managern zu verbessern.
Die UNESCO stellte mit einem Symposium in der thailändischen Hauptstadt Bangkok die Frage, ob das Konzept der Achtsamkeit auch in der journalistischen Ausbildung genutzt werden könnte. Vom 14. bis 15. Dezember trafen sich daher Journalisten, Journalismustrainer und Vertreter von Religionsgemeinschaften wie Buddhismus, Hinduismus und christlichen Religionen in der Chulalongkorn-Universität in Bangkok, um unter dem Motto ‘Achtsame Kommunikation für die ASEAN-Integration’ den Grundstein für ein Curriculum der Journalistenausbildung zu legen.
Geschichten des Wandels ins Positive lenken
Hintergrund ist laut UNESCO, dass mit dem Zusammenschluss asiatischer Staaten zur ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft (AEC) große Veränderungen auf die Region Südostasien zukommen werden, in der mehr als 600 Millionen Menschen leben. “Journalisten sind diejenigen, die die Geschichten des Wandels niederschreiben werden, und daher müssen wir uns Gedanken um die journalistische Ausbildung machen, um ihnen das richtige Handwerkszeug mit auf den Weg zu geben”, so die UNESCO.
Da die globale Berichterstattung über asiatische Länder häufig Konflikte im Fokus habe, sollen die Journalisten lernen, den positiven Wert der regionalen Integration zu erkennen und in ihrer Berichterstattung hervorzuheben. Da das traditionelle Konzept der Achtsamkeit (englisch: Mindfulness oder Mindful Communication) auf Friedlichkeit, Toleranz, Akzeptanz, Offenheit, Zuwendung, Verständnis, Mitgefühl und Liebe setzt, sollte auf dem Symposium dessen Nutzen für die journalistische Praxis diskutiert werden.
Phuwadol Piyasilo Bhikku, der an der Chulalongkorn-Universität Kommunikationswissenschaften studierte, später als Journalist arbeitete und nun als Mönch in Nord-Thailand lebt, erklärte, dass die Wurzel des Buddhismus das Ausmerzen des Leidens sei. Diesem Leiden müsse man allerdings Achtsamkeit schenken, um es überwinden zu können. Als journalistischer Ansatz sei das Konzept geeignet, um über ein Ereignis zu berichten, ohne Spaltung und Konflikt zu erzeugen.
Vorsichtig müsse man allerdings mit der Interpretation des Konzeptes sein. So, wie Mindfulness derzeit im Westen praktiziert werde, sei der Ansatz als “ein bisschen problematisch” anzusehen. Schließlich werde Achtsamkeit vor allem genutzt, um den individuellen Stresslevel zu senken. Das Konzept müsse aber mit anderen buddhistischen Werten kombiniert werden, damit es im buddhistischen Sinne funktioniere. “Man muss es zusammen mit panna (Weisheit) verwenden. Ohne die moralische Weisheit können wir nicht in die richtige Richtung steuern, um der Gesellschaft zu helfen.”
Auch der thailändische Sozialaktivist Sulak Sivaraksa warnte vor einer Fehlinterpretation des Konzeptes. In den USA sei Mindfulness besonders unter Managern populär. Das Konzept könnte ihnen helfen, rücksichtsloser zu werden, um mehr Profit zu machen. Deshalb müsse man sie nicht nur in Achtsamkeit trainieren, sondern ihnen auch ethische Werte mit auf den Weg geben. “Um mit Hilfe der Achtsamkeit eine nachhaltige Entwicklung vorantreiben zu können, muss das Training sich auch mit Sila (Ethik), Gier, Hass und Größenwahn beschäftigen.”
Das Konzept der Achtsamkeit ist mehr als 2000 Jahre alt. Buddhisten praktizieren es noch heute, aber viele junge Asiaten orientieren sich eher am westlichen Lebensstil als an den Traditionen ihrer Heimat. Daher ist auch in Asien die Art des Trainings entscheidend.
Positiv bemerkte Binod Agarwal, ehemaliger Vize-Kanzler der Himgiri-Zee-Universität in Indien, dass frühere Versuche der UNESCO, ein journalistisches Curriculum für aufstrebende Volkswirtschaften zu entwickeln, sich häufig an “theoretischen und ideologischen Perspektiven der westlichen Welt” orientiert hatten. Dies sei auf diesem Symposium nun anders.
Erste Druckerzeugnisse entstanden in China lange vor der Gutenberg-Bibel
Ein anderer Redner kritisierte, dass heute noch immer auch in Asien Kommunikationswissenschaftler ihren Studenten beibrächten, dass die Massenmedien entstanden, nachdem im 15. Jahrhundert in Deutschland erstmalig die Gutenberg-Bibel gedruckt worden war. Doch damit ignorierten sie, dass bereits sechs Jahrhunderte zuvor in China die ‘Diamond Sutra’ gedruckt worden war, die half, den Buddhismus in ganz Asien zu verbreiten.
Der ehemalige Malaysische Diplomat Ananda Kumaraseri von der Stiftung für menschliche Entwicklung und Frieden erklärte, Journalismus müsse “ent-kulturalisiert” werden. “Wir müssen Journalisten dazu bringen, die Wurzel der Probleme zu betrachten, statt auf den Sensationswert einer Nachricht zu blicken.”
Die Professorin für Kommunikationswissenschaften Supaporn Phokaew von der Chulalongkorn-Universität meinte, buddhistische Werte wie Liebenswürdigkeit und Mitgefühl könnten Journalisten zu mehr Empathie gegenüber denjenigen verhelfen, über die sie berichten. “Wir bringen den Studenten bei zu schreiben, aber nicht, wie man zuhört.” Das müsse man ändern. Das Konzept der Achtsamkeit sei dafür nützlich. “Wir müssen Menschen zuhören, um die Gesellschaft zu verstehen.” (Ende/IPS/jk/29.12.2015)
*Kalinga Seneviratne ist ASEAN-Korrespondent von IDN. Er unterrichtet Internationale Kommunikation in Singapur.
Bild: http://indepthnews.info/images/monks-unesco.jpg
Können traditionelle asiatische Werte ein Ansatz für die journalistische Ausbildung sein? – Bild: www.unescobkk.org